RAUCHZEIGEN – Michael Schiemann
Man könnte meinen, die Rock-Szene der damaligen DDR war relativ überschaubar, weil auch territorial sehr begrenzt. Deshalb kann man sich schnell dazu verleiten lassen, man habe das Geschehen, die Aktivitäten und die Musiker so ziemlich alles irgendwie im Blick. Vor allem, wenn man sich nur auf Namen, Projekte und Veröffentlichungen fokussiert, die ohnehin in allen Medien nachzulesen waren und sind. Dabei gab und gibt es nicht wenige Musiker, die auf ihre ganz eigene Weise einen Weg durch diese Zeit gefunden haben, sie prägten und noch immer aktiv sind. Nur die Zeiten sind inzwischen eben andere und die Tätigkeitsfelder so manchen Musikers eben auch. Einer von ihnen ist MICHAEL SCHIEMANN – na, klingelt’s?
Wenn nicht, dem kann abgeholfen werden:
HH:
Ein ehemaliger Bassist der Gruppe LIFT und ein alter Fan der Band haben sich in Glauchau beim Geburtstagskonzert für Gerhard Zachar getroffen und sich persönlich kennen gelernt. Wie sind Deine Eindrücke von jenem Abend.
MS:
Es war eine große Freude, Kollegen, die man fast eine Ewigkeit, zumindest seit der Wende, nicht mehr gesehen hatte, wieder zu treffen und auch wieder zu hören. Für mich war es ergreifend zu erleben, wie diese Musik – ich sollte eher sagen – „unsere Musik“, immer noch Emotionen auszulösen vermag. Das spricht natürlich für das Potential, das in ihr steckt. Ich denke, an diesem künstlerischen Profil haben wir alle unseren Anteil. Es war ein ergreifender und würdiger Abend.
HH:
Warum hast Du selbst nicht auf der Bühne gestanden?
MS:
Es war ein Zufall, dass meine Eltern in Dresden auf die kurze Nachricht des geplanten Konzerts aufmerksam wurden. Ich habe mich sofort mit Dina und Werther in Verbindung gesetzt und meinen Resturlaub genommen.
Natürlich hätte ich gern bei „Am Abend mancher Tage“ mitgespielt, es hat sich aber nicht ergeben. Im Saal habe ich aber mitgesungen.
HH:
Du bist mir bekannt als Bassist der Theo Schumann Combo, ich habe Dich bei Sieghard Schubert gesehen und natürlich mit LIFT. Was gab es außer diesen drei Bands noch?
MS:
Angefangen habe ich 1969 in Dresden im Hans-Günther-Werner-Sextett, damals noch als Gitarrist, später, so um das Jahr 1972, erfolgte der Umstieg auf den E-Bass. Im zarten Alter von 6 Jahren habe ich mit dem Klavier begonnen, etwas später kam das Cello hinzu. Das wollte ich auch studieren, bin aber mit Pauken und Trompeten durch die Aufnahmeprüfung geflogen. Da waren inzwischen 4 Jungs aus Liverpool in mein musikalisches Leben getreten und der Klassenleiter in der Schule hatte mir die ersten Griffe auf der Gitarre beigebracht.
Ich wurde erst einmal Koch, machte das Abi und ging zu Walter Wirsig in Gitarrenunterricht. 1970 erhielt ich meine Profi-Pappe. Nach der Armee begann ich 1975 mit dem Studium Kontrabass/E-Bass in Dresden bei Lothar Spiller In Dresden habe ich noch bei der Theo Schumann Combo und bei der Sander-Formation (Uwe Jensen – Show) gespielt.
HH:
Theo Schumann ist ja von Hause aus ein Jazzer und bei LIFT warst in einer Phase, in der Wolfgang Scheffler seine Ambitionen in genau dieser Richtung ausgelebt hat. Verstehst Du Dich als Rocker oder eher dem Jazz verbunden?
MS:
Diese Trennung mag ich eigentlich gar nicht. Ich möchte immer in der Lage sein, die geforderten Stilmittel bedienen zu können.
Es war damals so eine Strömung, Elemente des Jazz in der Rockmusik zu verwenden. Wolfgang Schefflers Ideen sind ja immer eine Mischung aus Klassik, Beatles und Jazz gewesen. Das Zusammenspiel mit Endrick, der ja dem Jazz auch sehr nahe stand, war nicht nur ein großes Vergnügen, sondern brachte auch einen entsprechenden „Groove“ in die Band. Als sich diese Mischung mehr in Richtung Jazz bewegte, verschob sich auch das Verhältnis von LIFT und dem Erfolg.
HH:
Stichwort Henry Pacholski….
MS:
Ich habe ihn nur ein Mal in Halle auf der Bühne erlebt. Ich war da gerade im Steintor-Variete und war mit Axel Thieme (ehemals Mitglied und Gitarrist der Erstbesetzung des Dresden-Sextetts ) dort. Als LIFT dann später in der Nähe von Gera war, haben wir die Eltern von Henry, zu denen Wolfgang ein sehr nahes Verhältnis hatte, besucht. Es war sehr ergreifend und ging mir doch sehr nah.
HH:
Laß’ uns bitte kurz über die Zeit bis zur Wende sprechen.
MS:
Ich bin von LIFT direkt zu SCHUBERT-BAND gegangen – Wolfgang Ziegler gab mir den Tip.
Danach war ich wieder in Dresden (Theo), wurde da noch zum Reservistendienst eingezogen – eine wunderbare Zeit (lacht herzhaft)!
In diese Zeit fallen auch die ersten Kontakte nach Berlin. Mit Peter „Emma“ Piele (Reform, Elefant) begann ich dann in einer neuen Band (G-Punkt-N), die es immerhin zu einem Fernsehauftritt bei der Nachwuchssendung bei MUCK schaffte.
1986 war ich dann ein Berliner, spielte bei der DIETER-JANICK-BAND bzw. dessen Jazzband FULL HOUSE und war ab 1988 Chor Sänger (Tenor) erst im ERNST-BARNETZ-CHOR und dann bei Horst Krüger (UNTERNEHMEN MÜNCHEHOFE). In der Wendezeit ergab sich der Kontakt zur RIAS BIGBAND (HORST JANKOWSKI) und so war ich dann in der letzten Besetzung der JANKOWSKI-SINGERS angekommen. Bei Auftritten im Friedrichstadtpalast knüpfte ich Kontakte zu Kollegen, die da engagiert waren und erspielte mir dort einen Aushilfsvertrag.
In der Show „Kieck mal an“ trat ich mit dem UNTERNEHMEN M. zusammen mit HELGA HAHNEMANN auf und konnte danach in ihrer Begleitband (zusammen mit Lothar Kramer, ex STERN COMBO) viele Konzerte bestreiten. Für ihre große Show im ICC sollte ich die Arrangements schreiben, leider kam es nicht mehr dazu. Ihre Noten haben aber einen Ehrenplatz in meinem Arbeitszimmer.
1994 wurde aus der Aushilfe eine feste Stelle im Orchester.
HH:
Gibt es darüber hinaus weitere Aktivitäten?
MS:
Ich habe gerade mit einem Akustik-Projekt (RICARDA’S ACOUSTIC LOUNGE) eine Demo-CD fertig gestellt, die ersten Gigs gespielt und bin am Schreiben neuer Arrangements bzw. eigener Titel.
HH:
Dazu passt vielleicht die Frage, was Du mit dem Begriff „Ostrock“ anfangen kannst oder passt dieser Begriff nicht mehr in die Zeit?
MS:
Ich finde es gut, dass die Musik noch so zelebriert wird, aber die Zeiten und die Ansprüche haben sich doch stark verändert. Ich glaube, es reicht nicht mehr, nur auf der Bühne zu stehen und die alten Songs zu spielen. Die heutigen Erwartungen sind doch ganz anders. Die Zuhörer, die die Musik ihrer Jugend noch einmal erleben, werden ja auch nicht jünger und nur in der Vergangenheit leben, wird auf Dauer nicht gehen. Ostrock ist aber eigentlich ein echtes Markenzeichen und eine Epoche der deutschen Rockmusik, die nicht ohne Wirkung geblieben ist.
HH:
Zukunftspläne, Wünsche…
MS:
Ich wünsche mir, noch lange Musik machen zu können und dass dabei die Gesundheit mitspielt. Alle Menschen sollten die Chance bekommen, ein zufriedenes und glückliches Leben zu führen.
Gesundheit ist das höchste Gut, denn ohne sie …?
HH:
Welche Musik bevorzugst Michael Schiemann privat?
MS:
Als bekennender Puccini-Beatles-Weather Report-Fan möglichst alles.
Durch die Kinder - unsere Tochter ist 16, der Sohn 20 – bekommt man ja frei Haus alles Neue um die Ohren und soll die dann auch nicht verschließen. Wie war das denn damals mit den Stones, den Beatles und den Eltern?
Es gibt immer laute und leise Zeiten im Tagesablauf und es tut gut, diese mit Musik zu füllen.
HH:
Im Vorfeld hast Du mir von einen Workshop in Hamburg erzählt. Was hast Du dort gemacht?
MS:
Ich war eine Woche bei Markus Setzer zur Bass-Intensiv-Woche und war dort der „Quoten-Ossi“. Es ist wichtig, sich nicht im eigenen Stil festzufahren und sich neuen Einflüssen zu stellen. Auf jeden Fall waren es interessante Tage, angefüllt mit 6 bis 8 Stunden Bass-Spiel.
HH:
Wann kann man Dich im Friedrichstadtpalast erleben?
MS:
Die Show YMA spielen wir Dienstag bis Sonntag, Samstag auch nachmittags und bis zum Sommer 2012. Es ist also noch Zeit. Genaueres findet man auf der Homepage des Palastes.
HH:
Ich weiß, dass Du ein Autogramm von Alexis Korner Dein eigen nennst. Wie kam es dazu?
MS:
Bei einem Fernsehauftritt mit LIFT spielte nach uns Alexis Korner. Sein Amp wollte aber nicht, also hab’ ich – keine Frage – ihm mit meinem Amp ausgeholfen. Das Autogramm war dann mehr als ein Dankeschön.
HH:
Was empfiehlt der gelernte Koch Schiemann den Lesern zum Beispiel zum Weihnachtsfest?
MS:
Natürlich Ente mit Pflaumen gefüllt, dazu Rothohl und Klöße und alles selbst zubereitet!.
HH:
Gibt es etwas, das Du den Leser dieser Zeilen persönlich mitteilen möchtest?
MS:
Da möchte ich Sting zitieren: „… be yourself, no matter what they say!”
16.06.2011
Rückblick in Bildern und Dokumenten
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1974 mit "TOAST" |
Autogramm des unvergessenen Alexis Korner
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Mit O.F. Weitling Anfang der 70er Jahre
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Bei der Schubert-Band
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Unternehmen Münchehofe, ca. 1986
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Mit LIFT in Rostock, 1980
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Im Friedrichstadtpalast Berlin, 2010 |
Als Sänger auf der 'MS Europa' ca. 1993/94
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