Interview
mit David Knopfler Januar 2005
Interview with David Knopfler, January 2005


Foto: edel rec.


Gerd:
Hello David!
„Ship Of Dreams“ has become a wonderful instrumental, sometimes symphonic touched but always melodic, ballad-like and poetic CD. „Easy Street” sounds like a classic Dire Straits track. So was it your intention to pay tribute to the old Dire Straits times?

David:
No, With Easy Street I was just making an ironic observation to those in the industry who've propositioned me to retard musically back to my Dire Straits days. What they propose is essentially the same deal Mephistopheles offered Doctor Faustus. There's nothing and no-one in the known universe could induce me to sell my soul for a faustian pact - though I'd certainly give a one fingered salute to all the Heavenly host if my heart was in love with someone or something I believed I needed to do, something they frowned upon... but that's a totally different moral dilemma... the former is losing your soul - the latter is regaining it. I follow my heart in all matters - but never my ego or my bank balance. If God asked me to put my son on an altar - as he did Abe with Isaac, for better or worse, I'd almost certainly tell him to "get therapy" you know? - We all have our own road to walk and our own way of getting there... hysterical, theatrical, gestures aren't mine... I'm more caprocornian... the mountain might take seventy years to climb but I'm willing to put in the work because when you work with what your heart knows to be right - it's always an enrichment to have the opportunity to do it.

German Translation/deutsche Übersetzung:
Gerd:
Hallo David!
„Ship Of Dreams“ ist eine wunderschön instrumentierte, manchmal symphonisch angehauchte, immer aber melodiöse, balladenhafte und poetische CD geworden. Erinnert „Easy Street“ bewusst oder unbewusst an Deine Zeit bei den Dire Straits?

David:
Nein, "Easy Street" war lediglich ein ironischer Seitenhieb auf diejenigen in der Musikindustrie, die mich dazu herumkriegen wollten, mich musikalisch wieder in Richtung Dire Straits-Zeiten zurück zu entwickeln. Was sie vorschlagen ist im Grunde genommen der gleiche Handel, den Mephisto dem Dr. Faustus anbot. Es gibt nichts und niemanden im bekannten Universum, das mich dazu bringen könnte, meine Seele für einen faustischen Pakt zu verkaufen - obwohl mir sicher die gesamten himmlischen Heeresscharen den Buckel runterrutschen könnten, wenn mein Herz für jemanden oder für etwas schlüge, von dem ich glaubte, dass ich es unbedingt tun müsste - etwas, was ihnen aber ein Dorn im Auge wäre… Doch das ist ein völlig anderes moralisches Dilemma. Beim ersteren verlierst Du die Seele, beim letzteren gewinnst Du sie zurück. Ich folge meinem Herzen in allen Angelegenheiten - aber niemals meinem Ego oder meinem Kontostand. Wenn Gott mich bäte, meinen Sohn auf dem Altar zu opfern (so wie er es von Abraham im Hinblick auf Isaak verlangte) - weißt Du, dann würde ich ihm, was auch immer danach geschähe, nahezu sicher sagen, er solle sich schleunigst einen Therapeuten suchen. Wir alle haben unseren eigenen Weg zu gehen und unsere eigene Art, um dahin zu kommen… Hysterische, theatralische Gesten sind nicht meine Sache. Ich bin da mehr der typische Steinbock: Es mag siebzig Jahre dauern, bis der Berg erklommen ist, aber ich bin bereit, die notwendige Arbeit zu investieren, denn wenn man an etwas arbeitet, von dessen Richtigkeit das Herz überzeugt ist, dann ist die Chance, dies tun zu können, stets eine Bereicherung.

Gerd:
“Ship Of Dreams” is my favorite album at present. Especially the final song „Symmetry Of The Stars“ is in my head all the time. What is the background of this song? What was your intention in writing this song?

David:
I find it very hard to talk about where I gather my ideas for a song - I just know when it's resonating and saying something to me. I wrote the lyrics for this one when touring with Megan Slankard (the co-writer) in Germany a couple of years ago. For me, what's much more important with a song is the work that a listener does when (or if) they connect to it in a personal way later - - they bring something of their own life experiences - and then the two elements interact - and in the response that generates, lies the kernel of what's important. The process is really very similar to that which happens in an art gallery between the art piece and the person viewing the piece. Each person's reaction and interpretation will be unique to them. This song for me now carries a number of meanings and significances that weren't apparent to me at the time it was written. There should always be some kind of universality at the core of the thing - an emotional truth if you will.

Gerd:
„Ship of Dreams“ ist zurzeit mein Lieblingsalbum. Vor allem der Schlusstitel „Symmetry Of The Stars“ geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Was bildete den Hintergrund zu diesem Song?

David:
Es fällt mir sehr schwer, darüber zu sprechen, wo ich meine Ideen für einen Song hernehme – ich weiß einfach, wenn da etwas in mir in Schwingung gerät und zu mir spricht. Den Text für dieses Lied habe ich vor einigen Jahren in Deutschland geschrieben, als ich mit Co-Writer Megan Slankard auf Tour war. Was für mich bei einem Song viel wichtiger ist, ist die Arbeit, die die Hörer leisten, wenn sie (falls sie es überhaupt tun) später auf ihre persönliche Weise eine Verbindung zu ihm herstellen. Sie bringen etwas von ihren eigenen Lebenserfahrungen ein, und dann wirken die beiden Elemente aufeinander ein, und in der Reaktion, die daraus hervorgeht, liegt der Kern dessen, worauf es ankommt. Der Prozess ähnelt wirklich sehr stark dem, was in einer Kunstgalerie zwischen dem Kunstwerk und dem Betrachter passiert. Die Reaktion und Interpretation jedes einzelnen ist einmalig. Für mich trägt dieser Song heute eine Vielzahl an Bedeutungen, die für mich zu dem Zeitpunkt, als er geschrieben wurde, gar nicht offensichtlich waren. Im Innersten einer Sache sollte es immer eine Art Universalität geben, eine emotionale Wahrheit, wenn man so will.

Gerd:
How do you create your songs? Is it first the lyrics and then the melody, the other way round or both at once? How do you get your ideas for your songs?

David:
Do you wake at night thinking of something and saying “that’s it!”? There aren't any rules - anything can spark it - and it can come in any sequence of events - but like most creatives - I get the first draft down in a relatively unstructured instinctive rush and then review it more dispassionately once that first thrust has been purged. I try not to get into the habit of waking up in the night with ideas - that way, long-term, lies sleep deprivation and resulting madness. I prefer to work in more ordered way - In fact I don't like psycho-drama - I prefer calm and stillness in my life - but sometimes the bloody Muse simply gets so under your skin and so inside your heart and soul, that's it's all can do to function at all - and then it's really a night on the bare mountain or Prometheus on the rocks. If you find you're drowning, better to grow gills and just grit your teeth and do the work you have to do to get through it, than to be destroyed by the tsunami of emotionality these unwelcome periods engender. I don't think though that being screwed up is either good or a pre-condition of making great work - in fact on the contrary - like drugs - it probably hampers more than it helps - and in my case - having never known what writer's block feels like in any shape or form - my biggest issues are frequently surprisingly mundane... like raising the budget - but my gratitude for the incredible help I seem to manage to get from the people who so selflessly give their hearts and talent to helping me realise the work, is boundless.

Gerd:
Wie entstehen Deine Songs? Erst der Text, dann die Melodie oder beides zugleich?


David:
Wachst du mitten in der Nacht auf, denkst an etwas und sagst: “Das ist es!“? Es gibt keine Regeln, alles kann zum Auslöser werden, und es kann in jeder Ereigniskette dazu kommen. Doch wie die meisten Kreativen bringe ich den ersten Entwurf in einem relativ unstrukturierten, instinktiven Ausbruch aufs Papier und begutachte das ganze dann mit größerer Objektivität, wenn sich der erste Sturm gelegt hat. Ich versuche aber, es mir erst gar nicht zur Gewohnheit werden zu lassen, nachts mit Ideen im Kopf aufzuwachen. Das ist, auf längere Sicht gesehen, der allerbeste Weg zu Schlafentzug und – letztlich – zum Wahnsinn. Da ist mir geordneteres Arbeiten schon lieber. Tatsächlich kann ich Psychodramen nicht leiden. Ich ziehe Ruhe und Stille in meinem Leben vor. Doch manchmal geht einem die verdammte Muse einfach dermaßen unter die Haut und bahnt sich so sehr ihren Weg in Herz und Seele, dass mir gar nichts anderes übrig bleibt, will ich überhaupt noch „funktionieren“ – und dann wird daraus wirklich eine „Nacht auf dem kahlen Berge“ oder Prometheus am Felsen. Wenn man merkt, dass man am Ertrinken ist, dann lässt man sich am besten Kiemen wachsen, beißt einfach die Zähne zusammen und macht lieber die Arbeit, die zum Durchkommen notwendig ist, als von dieser Flutwelle der Emotionalität zerstört zu werden, die aus diesen unerfreulichen Phasen heraus entsteht. Ich denke jedoch, es ist weder gut noch eine Voraussetzung für die Erschaffung großer Werke, dass man sich zu sehr hineinsteigert oder gar selbst verrückt macht. Es ist eigentlich eher das Gegenteil (so wie bei Drogen): Es hindert wohl mehr, als dass es hilft. Und in meinem Fall, wo Schreibblockaden jeglicher Art und Form völlig unbekannt sind, da drehen sich die größten Fragen oft um überraschend Banales… etwa darum, wie man das Budget erhöhen kann. Doch meine Dankbarkeit für die unglaubliche Hilfe, die ich anscheinend von den Leuten zu gewinnen vermag – von Leuten, die so selbstlos ihr Herz und ihr Talent hergeben, um mir bei der Verwirklichung meiner Werke zu helfen – kennt keine Grenzen.

Gerd:
My absolute favourite song is still „Guiding Star“. I’ve chosen that beautiful song as background music for a video I taped while ballooning through the Bavarian Alps. The metaphoric language of your songs is appropriate to a good association with movies. Do you have images on your mind while composing?


David:

Thank you... Well yes - of course - inevitably there will be visuals - though that said, I'm not overly visual in the way my mind works -symbolism, metaphor and myth, more than colour and shape, are the way I gather my feelings around a song... Most of my work usually has a presenting dimension of what the song seems to be about but below that, all kinds of strangeness rumbles in the underbelly. This song you refer to is actually about as dark a subject as anything I've ever approached - and wasn't easy to tackle. I don't actually much
like the way I recorded it - I'd always intended to finish that one by replacing the programmed percussion on it with a real player - but somehow, as happens in these situations where the meter is running at a thousand plus euros a day, it never got done - and now I'm stuck with that. In fact it was probably recording "Lifelines" (CD5 - the album this song is on) that made me decide to give up working with computers altogether - and to return to a more human scale by only working with live musicians thereafter.

Gerd:
Mein absoluter Lieblingssong heißt immer noch „Guiding Star“. Ich habe dieses traumhaft schöne Lied als Untermalung für ein Video ausgesucht, das ich bei einer Ballonfahrt in den bayerischen Alpen aufgenommen habe. Die bildhafte Sprache Deiner Songs eignet sich nach meiner Meinung gut in Verbindung mit Filmen. Hast Du beim Komponieren Bilder vor dem geistigen Auge?

David:
Dankeschön… Nun ja, natürlich, man hat zwangläufig Bilder im Kopf - obwohl ich nicht übermäßig visuell geprägt bin in meiner Denkweise. Weniger als Farbe und Form sind es vielmehr Symbolik, Metapher und Mythos, durch die ich meine Gefühle um einen Song herum ordne… Die meisten meiner Werke haben für gewöhnlich eine Oberflächendimension, die darstellt, worum es in dem Song zu gehen scheint; doch darunter, im Bauch, rumort so allerlei Seltsames und Fremdes. In dem Song, auf den Du Dich beziehst, geht es um ein Thema, das dunkler war als jedes andere, dem ich mich bisher zugewandt habe - und es war nicht leicht zu bewältigen. (Anm.: Es geht wohl um das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte ...). Die Art, wie ich ihn aufgenommen habe, mag ich eigentlich nicht so besonders. Ich hatte immer beabsichtigt, am Schluss die programmierte Percussion durch einen echten Schlagzeuger zu ersetzen - doch irgendwie, wie es in diesen Situationen eben passiert, in denen mal so ganz nebenbei tausend Euro zusätzlich pro Tag durch den Geldhahn fließen, ist das eben nie passiert - und jetzt muss ich eben damit leben. Wahrscheinlich war es sogar während der Aufnahmen zu "Lifelines" (meine fünfte CD - das Album, auf dem sich der Song befindet), dass ich mich dazu entschied, die Arbeit mit Computern komplett aufzugeben - und auf eine menschlichere Ebene zurückzukehren, indem ich fortan nur noch mit echten Musikern arbeitete.

Gerd:
By regarding the nine CDs you have released so far, there surely is some material that never made its way on a record. Is there any chance to hear some
unreleased material in the future, maybe like a “Rarities, B-sides and other stuff”-collection?


David:

Yes - there are a couple on my website at www.knopfler.com - but some day I'll put a few more up - and maybe release a couple in a Best Of. We'll have to see... I tend to always be more excited about the work I'm making now than the work I've finished.

Gerd:
Bei 9 bisher veröffentlichen CDs gibt es doch sicher Material, das nie den Weg auf eine Platte gefunden hat. Besteht Hoffnung, dass Du eines Tages bisher
unveröffentlichte Aufnahmen, vielleicht B-Seiten und andere Raritäten veröffentlichst, die vielleicht in der Zwischenzeit vor Deinen kritischen Ohren Gnade gefunden haben?

David:
Ja, auf meiner Website www.knopfler.com gibt es ein paar – aber eines Tages werde ich einige mehr hochladen und vielleicht ein paar auf einem „Best Of“ veröffentlichen. Man wird sehen müssen... Ich neige dazu, mich stets mehr für das zu begeistern, was ich gerade in Arbeit habe, als für das, was ich bereits abgeschlossen habe.

Gerd:
I have read in a magazine that there is a DVD planned for release. I would like to encourage you to do this, because this medium is just qualified to point out your excellent live qualities and to transfer the enthusiasm in the concert hall.


David:

There are two entirely different DVDs proposed - - one is for a live concert with a substantial orchestra - which would be a kind of "Best Of" - and the other would be more of a retrospective of bits and bobs - perhaps with a regular concert with my regular guys - the former is the one I'm hoping we'll manage to raise funding for this year... but as you can imagine - this isn't going to be cheap to produce.

Gerd:
Ich habe irgendwo gelesen, dass eine DVD geplant ist. Dazu möchte ich Dich ausdrücklich ermuntern! Gerade dieses Medium ist gut geeignet, Deine hervorragenden Livequalitäten zu unterstreichen und die Begeisterung im Konzertsaal zu übermitteln.

David:
Geplant sind zwei vollkommen unterschiedliche DVDs: Eine mit einem Live-Konzert mit richtig großem Orchester, das wäre dann so eine Art "Best Of"; die andere wäre mehr so eine Art Retrospektive mit ein wenig hiervon und ein bisschen davon, vielleicht mit einem normalen Konzert zusammen mit meinen Jungs. Die erstere ist diejenige, von der ich hoffe, dass wir es dieses Jahr schaffen werden, die Mittel zusammenzubekommen. Aber wie Du Dir vorstellen kannst, wird die Produktion alles andere als billig werden.

Gerd:
I don’t want to bring up the scruffle with your brother … Anyway, you have found your own style in music a long time ago. Is it right by saying that your style and your musical beliefs have not been compatible with the kind of music the Dire Straits played over the years? Have there been serious efforts in the past to reunite this project with its original band members?


David:

No. None I'm aware of. I'd probably happily work with the other guys in DS again if asked - but if I were to hazard a guess I'd assume my brother would prefer to be gently toasted over molten lava rather than have to revisit former work and colleagues - and frankly in his position who can blame him? He has the wonderful luxury of being able to make whatever work he wants with whomever he wants in whatever time scale he wants in any studio in the world - - no financial limitations whatever. Now, if someone offered me that as a faustian pact!... I might very well hesitate before passing on it... Satan - if you're listening - you heard it here first ;)

Gerd:
Ohne zu sehr an den brüderlichen Zwist mit Mark zu erinnern: Du hast Deinen musikalischen Weg schon lange gefunden. War es so, dass Dein Stil oder Deine musikalischen Vorstellungen mit der Musikrichtung der Dire Straits nicht mehr vereinbar war? Gab es in der langen Zwischenzeit ernsthafte Bemühungen, dieses Projekt wieder zu beleben?


David:
Nein, keine, dessen ich mir bewusst wäre. Wenn ich gefragt würde, würde ich wahrscheinlich sehr gerne wieder mit den anderen Jungs von Dire Straits zusammenarbeiten. Aber wenn ich mir erlauben sollte, eine Vermutung anzustellen, so würde ich annehmen, dass mein Bruder lieber über geschmolzener Lava rösten würde als zu früheren Arbeiten und Kollegen zurückkehren zu müssen – und offen gesagt, wer kann es ihm in seiner Position verdenken? Er genießt den wunderbaren Luxus, in jedem Studio auf dieser Welt tun zu können, was immer er will, mit wem er will und mit so viel Zeitaufwand wie er will – ohne jede finanzielle Einschränkung. Wenn bloß mir einmal jemand das als faustischen Pakt anbieten würde! Ich könnte sehr wohl darüber ins Grübeln geraten, ehe ich mich wieder anderen Dingen zuwenden würde. Also Satan, falls Du gerade zuhörst: Hier hast Du es zuerst gehört ;-)

Gerd:
When will you and your band be on tour in Germany or the rest of Europe again?

David:
I wish I knew. As soon as an agent books us basically.

Gerd:
Wann dürfen wir Dich und Deine Band wieder auf einer Tournee erleben?

David:
Ich wünschte, ich wüsste das. Im Grunde sobald uns ein Agent bucht.

Gerd:
Dear David, thank you very much for the time you spent on answering my questions. ”Gerd’s Musicpage” is created by me as a passionate collector of many music styles. Your albums will always have a special place in me and my collection. I wish you all the best for the future!

David:
Thanks for your interest and generous comments Gerd
David

(07.01.2005)

Gerd:
Lieber David. Vielen Dank für die Zeit, die Du Dir für dieses Interview genommen hast. Hinter „Gerds Musicpage“ steht ein leidenschaftlicher Sammler von Musik vieler Stilrichtungen. Deine Platten haben immer einen besonderen Platz in mir und in meiner Sammlung. Ich wünsche Dir weiter alles Gute!

David:
Danke, Gerd, für Dein Interesse und Deine großzügigen Kommentare.
David