Cäsar "Semper Fidelis" - Vorab-Rezension der DVD - Ein Film vom 7. Januar 2009

Veröffentlichung: 12.07.2010

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Fotoserie Konzert 07.01.2009 © Hartmut Helms


Manchmal träume ich so etwas: Ein kleiner greller Scheinwerferkegel malt einen Halbkreis auf einen dunkelblauen Boden und aus dem zweiten darüber schält sich eine Figur, ein Zentaur, ein Gitarre spielender, das Logo von CÄSAR.

Es war der 7. Januar 2009, ein Abend im Leipziger ANKER. Kein alltäglicher Abend, sondern ein einmaliger und ein besonderer dazu: „Es wird sicher kein Gedenkkonzert, wir feiern die Party zu CÄSAR’s 60. Geburtstag“, formulierte sein Sohn Robert sinngemäß im Backstagebereich, während vorn im Saal CÄSAR über seine Brille blinzelnd von oben auf das Geschehen „in seinem Wohnzimmer“ schaute.
Seitdem sind 18 Monate vergangen und zum ersten Mal sehe ich die Bilder von damals wieder, noch immer unwirklich und dennoch sehr real, weil in meiner Erinnerung genau so aufgehoben, wie es diese neue DVD auch tut.

An diesem kalten Januarabend hätte CÄSAR nach überwundener Erkrankung mit einem Paukenschlag wieder auf der Bühne stehen wollen, als Neubeginn vielleicht, wie wir alle hofften, oder er hätte sich von dieser Bühne und von allen anderen für immer verabschiedet, um sich fortan ein wenig zu schonen und auf andere Weise künstlerisch und als Mensch wirksam zu sein, sich selbst „immer treu“ bleibend.
Es ist anders gekommen, wie wir alle wissen und diese Erfahrung einerseits und die Party, die er sich wünschte und ins Auge fasste, andererseits, sind in einem Konzertmitschnitt für alle, die dort waren, dort gern gewesen wären und für alle, die den Menschen mochten und mögen, konserviert; „CÄSAR – Semper Fidelis“.

Auf der Bühne noch einmal vereint, musiziert die BigBand seiner ehemaligen (Mit)SPIELER und Musiker, die CÄSAR’s Weg ein Stück oder auch etwas länger begleiteten sowie RENFT, in deren ursprünglicher und erfolgreichster Keimzelle CÄSAR seine erste musikalische Heimat fand. Es war der letzte Abend der ganz großen Emotionen und vielleicht auch die vorläufig letzte Gelegenheit, bei der seine Musik authentisch zu hören und deren Faszination zu erleben war.

Noch einmal sehe ich mich und viele bekannte Gesichter, inmitten der Menge stehend, ein Geburtstagsfest feiern, das wir so nicht wollten. Noch einmal erlebe ich beim Sehen, wie Musikanten miteinander Lieder spielen, die sie viel lieber mit ihm gemeinsam live vorgetragen hätten. Der Eindruck, dass es dennoch genau so gewesen sei, holt mich mit der Konserve Lied für Lied und Wort für Wort wieder ein. CÄSAR inmitten seiner Musik, mit seinen Kollegen und Freunden und dazwischen immer wieder auch locker plaudernd, über die Zeiten auf den Bühnen des Landes, im Studio oder mit Kaffeesatz und Blumentöpfen.

Den druckvollen Sound der SpielerBigBand vermittelt die DVD allgegenwärtig und wie bei einer Party nicht anders zu erwarten, ist die Spielfreude überwältigend, das Miteinander berauschend und die Freude am gemeinsamen Musizieren dominiert das Geschehen. Vielfältig sind auch die musikalischen Tupfer der Gäste, mitreißend und schmerzhaft emotional die Kraft der Lieder von „Wie’s nie kommt, kommt’s“ bis „Besinnung“ und bis zum großen Chor der Gäste, der den „Apfeltraum“ im Leipziger ANKER zum Klingen bringt. Spätestens hier wünscht man sich, ein Gegenüber zu haben, um sich zu umarmen, sich zu halten, einen, der dir das Tuch reicht und wortlos alles versteht. Auch vor der Mattscheibe braucht es dieses Gefühl der Gemeinsamkeit.

Beinahe unmerklich verführt mich die DVD von Lied zu Lied auf einer langsam anschwellenden Woge der Erinnerungen. Sie vermittelt den Eindruck, so manches seiner Soli geschähe tatsächlich auf der gleichen Bühne, obgleich die Orte nicht unterschiedlicher sein könnten, die Konserve und die Live-Bühne. Kleine bildhafte Puzzle-Teile und sanfte Breaks verbinden das unterschiedliche Geschehen und bauen der Zeit und den Gedanken eine Brücke „Zwischen Liebe und Zorn“, von „Liebeslied“ bis „Cäsar’s Blues“, ganz gleich, ob gerade Burghard, Boddi, Robert, Oschek oder Dirk „Scholle“ Zöllner“ am Mikrofon stehen. Ich war tatsächlich bei einem Familientreffen, wie es Oschek nannte, und es war der 60. Geburtstag „einer der liebsten Menschen, die ich kennen gelernt hatte“, wie Till Uhlmann schlicht und treffend formulierte. Stimmt, genau so fühle ich auch.

Den Akteuren auf der Bühne gelingt im kalten Januar 2009 eine bewegende Zeitreise durch das Leben eines Künstlers, wie sie nie wieder zu machen sein wird und die (Geburtstags)Gäste des Abends – Familie, Freunde, Fans und Weggefährten - erleben einen emotionalen Rückblick, der bei den meisten bis tief in die eigene Vergangenheit reicht. Auf diese Weise wird der Mitschnitt zum Zeitdokument im doppelten Sinne, eine sehr persönliche Erinnerung an CÄSAR und ein Moment der „Besinnung“ auf das eigene Leben und auf selbst Erlebtes mit ihm und dieser einmaligen „idealistischen und individuellen“ Musik (Boddi).

Ein solches Ereignis so zu verdichten, dass die große Trauer spürbar wird, ohne dass einem beim Zusehen und Zuhören oberflächlich sentimental zumute ist, es so zu machen, dass man die Party mitfeiert, ohne den traurigen Anlass hinweg zu wischen, das ist wohl das größte Kunststück, das den Machern auf der Bühne und denen in den Monaten danach beim Sichten und Bearbeiten gelungen ist. Dies vor allem auch deshalb, weil sie durch CÄSAR „Respekt und Demut im Umgang miteinander“ ( Jogy Franke) erfahren und erleben durften. Das könnte auch die Botschaft sein, die CÄSAR gelebt und uns hinterlassen hat. Als Musiker und als Mensch sowieso – „Semper Fidelis“, sich selbst treu sein, im Zweifel wie im Hochgefühl und allen sich ändernden Zeiten zu Trotz.

HH, 22.06.2010

Cäsar – Semper Fidelis
Ein Film vom 7. Januar 2009 – Cäsar wird 60!

Live-DVD aus dem Anker Leipzig
Veröffentlichung: 12.07.2010
Label: Cäsar-Music
Vertrieb: Buschfunk

Liverecording, 5.1 Mix, Mastering: Jürgen Block
Schnitt, DVD-Authoring: Mario Biehl
Schnitt und Grafik Projektion: Thomas Hilthmann
DVD-Executive Producer: Detlef Menges, Simone Dake