„Semper Fidelis – live“ zum Ersten – ein Abend für CÄSAR Irgendwann in den Penne-Zeiten, Mitte der 60er Jahre, stand im Literaturunterricht die Beschäftigung mit Goethe’s „Faust“ auf dem Lehrplan und neben vielen anderen Zitaten, sind mir auch die im „Auerbachs Keller“ von Frosch gesprochene Zeile „Mein Leipzig lob’ ich mir“, im Gedächtnis haften geblieben. Die Stadt sei ein „Klein Paris und bilde seine Leute“, lässt Goethe ihn weiter sagen und hat damit etwas formuliert, was auch für so manchen Rock’n’Roller zutrifft, der reichlich 150 Jahre später in den Mauern der Messe-Metropole das Licht der Welt erblickte. Einer dieser „gebildeten Leute“ schrieb Geschichte und prägte das Gesicht der Stadt auf völlig eigener Art: CÄSAR PETER GLÄSER. Die beiden, Dr. Faustus und CÄSAR, haben wahrscheinlich gemeinsam, dass sie Zeit ihres Lebens auf der Suche und nie mit sich selbst zufrieden waren. Jeder auf eigene Weise in seiner Zeit verhaftet, mit ihr verbunden und auch im ständigen Konflikt, aus denen neue Erkenntnisse und Bleibendes entstanden. Doch zunächst sollte endlich wieder einmal kurz vor Weihnachten im Leipziger Traditionshaus gerockt werden und wie zum 60. Geburtstag vor zwei Jahren, war es kalt und der Schnee hatte sich, wie zur Erinnerung an jenen Abend, pünktlich eingestellt. Das Umfeld stimmte, viele Weggefährten waren, einige von sehr weit her, gekommen und das Gefühl für etwas besondere hatte sich auch eingestellt. Es war die Überzeugung, sich „immer treu“ zu bleiben und vorsichtig ein großes Erbe übernehmen zu wollen, Weggefährten, Freunde und ehemalige Mitstreiter gemeinsam Hand in Hand. Beim Eintreten sieht er „von oben“ herab, verschmitzt blinzend von einem überdimensionalen Poster herunter, so als wolle er sagen: „Lasst Euch überraschen, es ist Weihnachtszeit!“ Dann Wende um 360° und der beherzte Griff in die Saiten. Seine drei ehemaligen Mit-Spieler JÜRGEN SCHÖTZ, VOLKMAR GROßE und MARIO FERRARO sind dafür bekannt, es richtig krachen lassen zu können und der Saal beginnt zu rocken. In seiner unnachahmlichen Art singt VOLKMAR Musik aus alten Zeiten und bekommt dann auch prompt, auch wie in alten Zeiten, nach dem „Kornlied“ ein Gläschen selbigen Getränks auf die Bühne gereicht. Szenenwechsel, nächste Überraschung und dann Party pur mit nicht ganz ernst gemeinten Grüßen aus den Tiefen der Russischen Taiga (oder war es doch die Steppe?). Es hatte sich angedeutet und gemunkelt wurde es auch schon eine Weile. Nun stehen sie wieder gemeinsam nach über 10 Jahren und einem Auftritt beim Gundermann-Tribut in Berlin auf der Bühne – die Gundermann’sche SEILSCHAFT ergänzt um CHRISTIAN HAASE, der ein Stück zum musikalischen Nachwuchs des Baggerführer aus den Tagebaulöchern gewachsen ist. Deshalb erklang dann auch „Einsame Spitze“ und zum Mitsingen der beliebte und kämpferische Schlachruf „Hey-Jooh“ aus dem „7ten Samurai“. Endlich weiß ich wieder, was mir so lange gefehlt hat und was ich schon zwischen abgesoffenen Tagebaunarben und zugemüllten Wäldern der Lausitz vermisst hatte. In den vergangenen Monaten hab’ ich mich innerlich immer gesperrt, wenn d e r Song schlechthin erklang. Gleich ob von Konserve a la „Ostrock in Klassik“, was ohnehin nie meine Baustelle hätte sein können, bei RENFT, wo Orgel und Flöte in den Gitarrensaiten mitzuklingen versuchen oder mit KARUSSELL, die immer „nur“ die zweite LP-Version spielen können – immer fehlte etwas, das mich hätte zum Mitschwingen anregen können. Das war diesmal ganz anders und ich könnte nicht mal sagen, WAS. Es war einfach nur da und hatte blanke Emotion im Schlepptau. Beinahe war es unwirklich echt, „Wer die Rose ehrt“ von HAASE und der Seilschaft mit Spielerverstärkung zu hören – und kein Taschentuch dabei! KAI NIEMANN ist „Im Osten“, so oder so ähnlich denken wohl viele. Ich übrigens auch, jedenfalls bis zu dem Moment, als dieser Typ auf die Bühne tritt und mit tiefer sonorer Stimme zu singen anfängt: “Vampire machen Entziehungskur … Kain ist tot“. Der macht nicht auf CÄSAR, der singt so, wie NIEMANN eben! Plötzlich hat dieser Song wieder diese brachiale Gewalt und den Kampf, wie beim letzten Atemzug, ehe sich die Erlösung in die Musik ergießt. Vom gleichen Schrot und Korn ballert er dann noch mit CÄSAR’s Spielern ein wuchtiges „Halleluja“ in die Massen, denen gar nichts anderes übrig bleibt, als zu toben. Was sonst, bei so viel Energie und Power. Das Wechselbad der Gefühle setzt sich fort. CÄSAR singt das „Liebeslied“ von PJOTR aus dem Hintergrund „live“ mit seinen Spielern und die bringen dann das heftige Percussionsfeuerwerk „TT“ und damit die alten Mauern des alten Hauses und uns zum Beben. Danach ist allen warm, um nicht heiß zu sagen und das nicht nur, weil die beiden geigenden Damen CONNY & JANA ein hinreißend optischer Hingucker sind. Auch die Einladung zum „Sex in der Wüste“ wirkt nicht wirklich abkühlend. Heiß wie die Wüste sind dann auch „Mein Bruder Blues“ und „Whiskey“, die Mr. BIG JOE STOLLE süffisant zelebriert. Es ist nicht neu, dass die beiden CÄSAR – Söhne ROBERT und MORITZ eine ganz eigene Auffassung von Musik entwickelt haben und in dieser voll aufgehen. Einen zweiten CÄSAR erwartet keiner, wohl aber schwingt die Hoffnung in vielen von uns, die beiden mögen dieses wertvolle Gut gefühlvoll nutzen. Es ist nichts anderes als beeindruckend, mit welcher Energie ROBERT „Nämlich bin ich glücklich“ und den „Gelben Mond“ seinen ganz eigenen Stempel aufdrückte und dennoch so nah am Original blieb. Das war schlicht Klasse und sollte, für meinen ganz persönlichen Geschmack, nicht zum letzten Mal so geschehen sein! Wir alle kennen das Spiel. Nach dem Ende folgt die Zugabe und in diesem Fall auch wieder eine Überraschung. MORITZ bringt in Begleitung von JANA und CONNY eine Melodie von CÄSAR zu Gehör, die man so sicher nicht erwartet hätte – mit klassischer Struktur und verwinkelter Melodieführung würde „Umsonst“ (?) auch auf einer Scheibe mit klassischen Musikstücken eine gute Figur machen. Oups, wer weiß schon, was da noch so in den Archiven schlummert? Die Zeiger der Uhren rücken bedenklich in Richtung Mitternacht, als noch einmal die instrumentale Version der „Rose“ erklingt und damit der Abend leise und auch wieder besinnlich ausklingt, so wie er begann. Da stehen wir nun, knapp zwei Jahre nach „60 plus“ und können es doch nicht fassen, noch immer nicht. Man merkt VOLKMAR seine innere Erregung an, als er dann doch noch einmal an’s Mikro tritt, sich bedankt und dann schlicht meint. „Ihr seid alle einfach nur toll!“. |