Ein KARUSSELL auf Tour, live November 1978 – BESINNUNG 2009 Wenn schon im rockmusikalischen Sinne Legenden, dann gab es sie bereits in den ausgehenden 70ern mit Namen wie Jimi Hendrix, Brian Jones, Jim Morrison und Janis Joplin, um deren Leben und Musik sich Erinnerungen und Erzählungen rankten und ranken. Und dann gab es ja diese Gruppe KARUSSELL, bei der sich am Schlagzeug Jochen Hohl und vorn am Mikrofon mit der Gitarre CÄSAR, die beiden ehemaligen Renftler, wieder fanden. In jenen Jahren wurden viele Bands neu formiert und KARUSSELL war eine von ihnen, allerdings eben die mit CÄSAR. Am 1. November 1978 hatte ich das Glück, diese Gruppe für ein Konzert auf der Bühne des alten Gesellschaftshauses in Elsterwerda bei ROCK-MIX 4 zu haben. An jenem Ort, wo ich schon 10 Jahre zuvor, die frühe Version der Klaus Renft Combo mit Klaus, Fetz, Matko und Stolle zum Tanz und ab 1970 die Combo in der „Originalbesetzung“ erleben durfte. Davon existiert sogar ein Foto. Nun also stand CÄSAR wieder einmal auf diesen Brettern und mit ihm jene Band, die in den Augen vieler, die ich kannte, die Tradition der Klaus Renft Combo angemessen weiter ausmachte. Dieses KARUSSELL befand sich im Zenit des rockigen Lebens. Links am Bühnenrand Wolf-Rüdiger Raschke mit seinen Tasten und auf der rechten Seite gegenüber, der ruhige Claus Winter am Baß, mit seiner Löwenmähne und dem Schnauzer im Gesicht. Im Hintergrund auf einem stinknormalen Stuhl (!) sitzend, Jochen Hohl hinter der Schießbude. Vorn an der Rampe von rechts nach links Bernd „Hula“ Dünnebeil, der stille Gitarrist und „McDonald“-Erfinder, Reinhard „Oschek“ Hut, der Mann mit der kristallklaren Stimme und eben CÄSAR. So aufgestellt krachten sie ihre Songs in den alten Saal und der bebte bei den wuchtigen Keyboard- und Gitarren-Akkorden von „Ehrlich will ich bleiben (Lügenmale stehen keinem zu Gesicht)“. Das hätte das Credo der Band werden können, unseres da unten war es, auf jeden Fall aber gefühlt. Als CÄSAR dann „Whisky“ sang und sich schmerzhaft mit seiner Gitarre in den Blues wühlte, war sie wieder da, diese Aura und dieses seltene Gefühl von einem, der über sich selbst sang und uns hätte meinen können. Dabei war der Mann nur wenige Monate älter als ich. Erster absoluter und noch immer so empfunder Höhepunkte des Konzertes war „Entweder oder“, das mir 30 Jahre später noch immer Gänsehaut bereitet. Da stimmte einfach alles! Die Orgelklänge, die letztlich in wuchtig fragende disharmonische Akkorden einmünden und darüber „Oscheks“ kristalklare Stimme. Der Mittelteil, geprägt von CÄSAR’s entfesselter Gitarre, die sich Duelle mit der von „Hula“ lieferte und letztlich das Duett der beiden Flöten, CÄSAR und „Hula“ synchron im Ausklang des Instrumentalparts, dem Vorbild von KING CRIMSEN’s „In The Court Of The Crimsen King“ nachempfunden. KARUSSELL nahm eben nicht nur Trends auf, sondern bestimmte sie zuweilen mit ihren eigenen Songs auch. Ich denke, die aktuelle Band tut gut daran, sich an dieses Stück mit den beiden Blockflöten nicht zu wagen. Auch damals kein Konzert ohne die „Rose“. Da war sie wieder, diese Ahnung von einer weitergeführten Tradition, die wohl eher der Wunsch des Publikums, denn der Musikanten war. Also ging’s weiter mit „Cäsar’s Blues“, den sich der Barde selbst auf den Leib geschrieben und in die Gitarrensaiten gezaubert hatte. Dieses „wie ein Musikant auf ’ner Regenwiese“, die Mähr vom Musiker, ohne Geld in der Tasche und den vielen Mädchen an jedem Finger. Gelebt oder nur gesungen, wer weiß das schon? Die Hütte war knackevoll, bis in den Rang gefüllt und die Band war in allerbester Spiellaune. Auf den alten Bühnenbrettern im Beat-Schuppen „Hoppenz“ in Elsterwerda haben schon in den 60ern viele Größen gestanden: Theo Schumann, Uve Schikora, die Sputniks, die Berolina Singers, Modern Soul, die Stern Combo Meissen, Klaus Renft mit Beyer und später mit CÄSAR. Nun, im November 1978, auch endlich KARUSSELL und wieder CÄSAR. Nach dem Konzert gab’s noch viel Zeit zum Quatschen, Zeit für ein oder zwei Bier und ein Gruppenfoto, eines der wenigen, das damals entstand. Als ich kürzlich, 30 Jahre später, in Dresden dem Techniker Klaus „Bemme“ Brömme das Gruppenfoto der Band mit seinem Hinterteil darauf zeigte, konnte der sich ein Grinsen auch nicht verkneifen. Für mich selbst weiß ich, daß wir am 23. Oktober 2008 nicht nur einen genialen Songschreiber, Gitarristen und Sänger verloren haben, sondern wahrscheinlich eine der letzten großen Symbolfiguren des verschwundenen Landes und inzwischen auch des großen Ganzen, in dem er nahezu 20 Jahre lebte und künstlerisch vielseitig wirkte. Gegangen ist die ehrliche Haut von nebenan, der einprägsame schlichte Charakter, der in Zeiten, in denen unsereiner gelebt, geliebt, gehaßt, gelitten, gehofft und manchmal auch gesoffen hat, gleiches mit uns erlebte und dies in seinem Zweifel und Suchen zu den schönsten und innigsten Liedern unserer Jugend und meines Hierseins machte. Gern hätte ich mich persönlich bei ihm bedanken wollen, hätte gern noch mehr mit ihm gesprochen, als ich es ohnehin getan habe und gern hätte ich ihn Freund nennen wollen, wenn es sich zufällig so ergeben hätte. Er fehlt mir und vielen meiner Generation. Eine Legende nennen kann und will ich ihn dennoch nicht. Für mich ist und bleibt er Begleiter auf all meinen Wegen, gestern, heute und auch noch morgen, ein Weggefährte eben. Es werden viele Jahre wie dieses erste nach seinem viel zu frühen Tod vergehen. Das kleine Apfelbäumchen auf dem Leipziger Südfriedhof wird wachsen und viele Äpfel mit Gesichtern tragen. „…..mach die Augen zu, mach die Augen zu,
Seite eingestellt: 23. Oktober 2009
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