Holger Saarmann - Info |
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Holger Saarmanns 4. CD "Gestern ist auch noch ein Tag" Meine Rezension im Online-Musikmagazin "Deutsche Mugge" - hier ... (02.02.2018)
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Holger Saarmann kenne ich seit einigen Jahren und habe diesen äußerst sympathischen Künstler sehr zu schätzen gelernt. Um ihn vorzustellen, wählte ich den Weg über ein Interview, weil ihm dies besser gerecht wird. Holger Saarmann hat sehr detailliert und offen geantwortet. Er zeigt seinen Weg auf, gewährt einen tiefen Einblick in seine Musikwelt. Nicht immer ein ebener Weg. Und das ist gut so ... Wie liest man in einem Flyer zu seinen kürzlichen Auftritten: "... er vereint neun Jahrhunderte zu einem Liederabend. Sein Repertoire aus Überliefertem und Selbsterdachtem schafft ungehörte Verbindungen zwischen Klassik und Klezmer, Chanson und Folksong, zwischen Ballade und Bluegrass. So leistet er - allein mit Stimme und Gitarre - den wohl intimsten deutsch-(sprachig)en Beitrag zur Roots- und Weltmusik." Besser könnte man es nicht ausdrücken ... Gerd Müller: Ich bin familiär vorbelastet, stamme aus einem Milieu, in dem viel musiziert wurde: Schlaflieder, Volks- und Kunstlieder, Operettenmelodien und Chopin-Etuden am Klavier, Schlager und Beat von den Tonbändern und Schallplatten meiner Mutter, das war ständig um mich herum. Meine Großmutter war eine sehr gute Sängerin und meine Mutter ist es noch immer. Es war selbstverständlich, daß wir Kinder irgendwann Blockflöte und Klavier lernten. Ich singe, seit ich denken kann. Die Gitarre entdeckte ich mit fünfzehn, und als ich nach zwei Volkshochschulkursen mit klassischem Unterricht begann, entdeckte meine Schwester Nicola die Trompete. Nachdem wir beide Musik studierten, sind wir die erste Generation unserer Familie, die versuchen, von der Musik zu leben. Unsere Vorfahren beschränkten sich auf Hausmusik und Chorgesang; mehr ließen die bürgerlichen Rollen in Familie und Beruf nicht zu. Wie sehen Sie sich selbst in der Musikszene? Man ordnet mich gerne der Folk- und Liedermacherszene zu. Das ist zwar nicht ganz falsch, aber irreführend, weil diese Etiketten für viele mit den stilistischen und thematischen Klischees der 60er und 70er behaftet sind - und mit den Namen ihrer prominentesten Vertreter. Ich schreibe mir hin und wieder ein Lied. Da ich handwerklich eher langsam bin, kommen nur die zur Vollendung, deren Themen mich nachhaltig beschäftigen. Dafür verjähren die aber nicht so bald. Ein Liedermacher ist eher jemand, der sich vom privaten oder politischen Alltag inspirieren lässt.Trotzdem habe ich Gründe und Mittel, meine Darbietung auf abendfüllende Länge zu strecken. Ich bin ein Sammelsänger: Mein Repertoire umfasst neun Jahrhunderte. Die alten Lieder, die ich mir zueigen gemacht habe, lassen den engen Horizont unseres Zeitempfindens transparent werden. So als werde man sich beim Blick auf einen breiten Wasserstrom all seiner Quellen und Zuflüsse bewusst.Obwohl ich Stile und Epochen mische, wirkt die Musik meiner Konzerte wie aus einem Guss. Da hat sich noch nie jemand beklagt, weder über Eintönigkeit, noch über fragwürdige Kontraste. Auf der CD sind ja wunderschöne oft mittelalterliche Balladen enthalten. Kann man sagen, dass Sie diese Form besonders gerne mögen? Mit "Minne" und "Mittelalter" hat meine Musik wenig
zu tun, auch wenn sie gerne damit assoziiert wird. Tatsächlich finden
sich in meinem Repertoire derzeit höchstens zwei Lieder aus jener
Epoche. Die meisten Traditionals, die ich singe, stammen aus dem Zeitraum
1500-1850; ich forsche da immer recht akribisch nach dem Alter. Ich verkaufe
meine Musik nicht als "Minne"; das verbietet mir mein akademisch
geprägtes Gewissen. Für manche bin ich der "Barde von Berlin", weil ich nicht wie jedermann sonst die Hits des 20. Jahrhunderts nachsinge. Ich grabe tiefer. Mich interessieren die Wurzeln und die vergessenen Schätze darunter. Auch die meiner eigenen Sprachgemein-schaft. Das Graben in tieferen Schichten scheint sehr inspirierend zu sein ... Das ist es. Wenn ich mir meine Lieder und Arrangements so anschaue, entdecke ich polyphone Gitarrensätze wie aus der Renaissance, slawische Tonskalen, eine jiddische Wiegenlied-Melodie, Bluegrass-Riffs, kunstliedhafte Harmonien, die ich ursprünglich mal (vielleicht inspiriert durch Brahms und Mendelssohn) für ein Volkslied verwendete ... Manche Konzertbesucher sagen mir, meine eigenen Lieder seien die besten. Das ist sehr schmeichelhaft, aber ich glaube das erst, wenn ich in einigen Jahrhunderten erfahre, daß ein junger Sänger "Bahnsteig gegenüber" oder "Ode ans Diesseits" singt, so wie ich heute "Under der Linden" oder "Wenn ich ein Vöglein wär". > Weiter rechte Spalte oben!
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Fortsetzung
von linker Spalte! Die Musik ist berufgewordenes Hobby. Das Sammeln von Tonträgern
ist die nicht-professionelle Facette. Für mich steht nicht so sehr
das Medium im Vordergrund: Ich bin eher ein Liederjäger, suche und
sammle Originalaufnahmen mehr oder weniger bekannter Songs: Etwa "Ring
of Fire" von Anita Carter (der Schwägerin von Johnny Cash) oder
"500 Miles" von Hedy West, um nur mal zwei Beispiele zu nennen. Das Sammeln ist eher mein Stubenhocker-Hobby. Ich bin aber auch gern so richtig unterwegs, vorzugsweise auf langen Radwanderungen. Im September 2003 bin ich nach Danzig geradelt, 2000 war ich im Baltikum unterwegs, die Jahre davor viel in Ostdeutschland. In der ersten Hälfte der 90er zog es mich vor allem auf die Britischen Inseln. Das ist noch immer meine Lieblingsregion in Europa, auch wenn ich seit fast zehn Jahren nicht mehr dort war. Eine Begegnung während meiner Baltikum-Radwanderung war übrigens auch ausschlaggebend für meine erste Einladung zu einem großen Folkfestival. Mein neuer Freund Toomas aus Pärnu (Estland) gab mir die Adresse des Viljandi Folkfestivals, und schon 2001 wurde ich dort eingeladen. Toomas riet mir auch nachdrücklich dazu, mein Repertoire auf CD zu veröffentlichen. Was ich bei meiner Rückkehr auch prompt in Angriff nahm. Wo wurde Ihre CD "Hüt dich, schöns Blümelein!" aufgenommen? Bei mir daheim in Bamberg, im Winter 2000/01. Nachdem klar war, daß ich dieses Programm allein machen würde, brauchte ich ja nur zwei Mikros, ein Mischpult und ein digitales Aufnahmegerät. Ich bewohnte ein ruhiges Zimmer, Nebengeräusche waren also kein Thema. Außer dem gelegentlichen Knacken meines Kohleofens, aber sowas nennt man ja eher atmosphärische Verdichtung. Einige Wochen bevor ich mit den Aufnahmen begann, hatte mich ein Freund in das Werk von Wolf Biermann eingeführt. Der hat fast alle seine Platten in seinem Wohnzimmer aufgenommen, die erste sogar bei offenem Fenster und Straßenlärm. Oder Bruce Springsteens Album "Nebraska", das ist eine Heim-Aufnahmen in Demo-Qualität! Das hat mich ermutigt und inspiriert. Und dank der modernen Technik klingt meine CD um Klassen besser als die Vorbilder. Das liegt aber auch an Roland Breinbauers Studio in Wendelstein, wo ich die Aufnahmen mischen und mastern ließ. Die CD ist dann im Presswerk vervielfältigt worden. Das ist jetzt drei Jahre her. Gibt es die CD noch? Ja, der Vorrat geht zwar zur Neige, aber ich könnte jederzeit nachpressen lassen. Allerdings wird die CD nicht vertrieben; man bekommt sie nur bei mir persönlich. Entweder indem man sie per E-Mail bei mir anfordert, oder indem man ein Konzert von mir besucht. Was meint eigentlich der Titel "Hüt dich, schöns Blümelein!"? Bamberg empfinde ich nach wie vor als Heimat. Das merke ich jedesmal,
wenn ich hierher fahre, und dazu gehört schon die Zugfahrt durch
den Thüringer Wald. Ich komme lieber zurück nach Bamberg als
nach Berlin. Aber ehe ich mir irgendwann eingestehen werde, daß
Bamberg nicht zu übertreffen ist, möchte ich noch Alternativen
zu diesen beiden Städten ausprobieren. Kleinkunst in Berlin ist keine Zuckerwatte! Rein statistisch, denkt man
sich, müsste es in dieser Millionenstadt für jede Musik ein
Publikum geben, also auch für meine. In Wahrheit sind aber die Berliner
kulturell völlig überfüttert. Das Überangebot dieser
Stadt verführt zu der Weltanschauung, daß ohnehin alles zu
jeder Zeit geboten wird; was ich heute Abend verpasse, hole ich nächsten
Monat oder nächstes Jahr nach. Wirkt sich das auf die Auftrittsmöglichkeiten aus? Auftrittsmöglichkeiten gibt es trotzdem viele, insbesondere die
"Offenen Bühnen", wo jeder, der will, für ein Freigetränk
eine Viertelstunde spielen darf. Die sind auch recht gut besucht, weil
der Eintritt meist frei ist.Meine Einstellung zu den "Offenen Bühnen" ist zwiespältig:
Einerseits findet man dort schnell Kontakt zu netten Kollegen. Dann tauscht
man Adressen und Erfahrungen aus, oder musiziert vielleicht mal gemeinsam.
Außerdem haben auf diesem Wege die Veranstalter von mir und meiner
Musik erfahren, so daß ich schon bald ganze Konzerte bei ihnen spielen
durfte. Nur kam da kaum jemand hin, trotz meiner Zugaben-Erfolge beim
"Offenen-Bühnen"-Publikum. Warum sollten die Leute Geld
für ein Konzert ausgeben, wenn sie ihren Kleinkunst-Bedarf auch zum
Nulltarif stillen können? Das klingt dann etwa so: "Holger Saarmann?
Cool! Spielt jede Woche im XY. Kost nix!" Wie sehen Ihre nächsten Projekte aus ? Ein aktuelles Projekt ist leider gerade - nach nur zwei Konzerten - zerbrochen: Es hieß "Asphaltbarden", da habe ich zusammen mit drei befreundeten Kollegen musiziert: Claudia Gorr, Martin Talir und Fritz Wiehe. Wir versuchten zu viert - manchmal sogar vier-stimmig - ein größeres Publikum für unsere leise Musik zu gewinnen, ein bißchen so wie Crosby, Stills, Nash & Young, aber mit unseren eigenen Liedern. Fritz Wiehe ist vor allem Dichter. Er braucht, wie er gerne betont, echte Musiker, die ihm seine"Gedichte in Musik" veredeln helfen. Wir planen zu zweit auch Lesungen mit Musik.Mein nächstes Soloprojekt wird mich pünktlich zur nächsten US-Präsidentenwahl in den "Wilden Westen" führen. Ich habe mehrere sehr deutsche Zugänge zur amerikanischen Volksmusik entdeckt und fühle mich nun zu einem "Bluegrass"-Programm berufen, wie es sicherlich kein zweites gibt. Oder haben Sie schon mal Lieder von deutschen Amerika-Einwanderern gehört? Und bedenken Sie: Die Nachkommen der ersten deutschen Emigranten haben noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts untereinander deutsch gesprochen. Da hatten sie fast drei Jahrhunderte Zeit, deutsche Lieder zu dichten und zu singen - und das taten sie auch! Haben Sie eine Vorstellung, wie das geklungen hat? Das wäre doch vielleicht auch Anlass für eine neue CD? Sicher. Aber das Pflänzlein braucht noch etwas Zeit zu wachsen. Im April 2004 waren Sie auf Tournee in der fränkischen Heimat. Gibt es weitere Tour-Pläne? Als mein eigener Agent und Manager baue ich mir gerade eine Website; da wird es demnächst auch einfacher, meinem Publikum zu verraten, wann ich wo spiele. Ich arbeite an einer Tour. Am Donnerstag, den 26. August 2004 gibt es
einen Nachschlag zur Frankentour, da singe ich "open air" im
"Fränkische Schweiz Museum" in Tüchersfeld (bei Pottenstein).
Sozusagen zwischen Fachwerk und Felsen, eine phantastische und einmalige
Kulisse für Gitarrenballaden aus neun Jahrhunderten! Beginn ist um
19.30 Uhr. Das gesamte Programm wird bis dahin nicht fertig sein, aber einige der Lieder werde ich mir bis dahin bestimmt zu eigen gemacht haben, als Kostprobe. Das Programm in Tüchersfeld heißt weiterhin "Hüt dich, schöns Blümelein!". Das Interview wurde im Juni 2004 geführt. |
Die CDs von
Holger Saarmann
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Rückblick - frühere
Aktuell-Meldungen
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Hallo, liebe Liederhörer!In den neun Jahren, die ich in Franken gelebt habe, wusste ich zwar vom Hörensagen, daß es auf Kloster Banz bei (Bad) Staffelstein das Festival "Songs an einem Sommerabend" gibt, habe es aber immer versäumt oder fuhr stattdessen zum Folkfest nach Rudolstadt. Links: Er hatte einen vielumjubelnden Auftritt in Schloss Banz. Zeitungsausschnitt aus dem "Fränkischen Tag" vom 7. Juli 2007 (Gerd, 08.07.2007)
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