Ólafur Arnalds - Konzertrezensionen


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Olafurs entschleunigte Klassikperlen... und Support Douglas Dare: „Take a seat... and listen“
31. Mai 2013 - Nürnberg, Musiksaal in der Kongresshalle, Bayernstr. 100

Die lange Regenzeit füllte den Musiksaal in der Kongresshalle Bayernstraße, unmittelbar neben dem Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände am Dutzendteich gelegen, vielleicht noch ein bisschen mehr, als dies bei sommerlichen Temperaturen der Fall gewesen wäre. In diesem Saal musizieren sonst die Nürnberger Symphoniker. Ein angemessener Rahmen für ein Instrumentalkonzert mit besonders anspruchsvollem Repertoire. Wir hatten uns einen nummerierten Platz in der zweiten Reihe gesichert, wo man einen optimalen Blick auf den großen Konzertflügel hatte, an dem uns Ólafur Arnalds (27) in eine Reise mit entschleunigter Musik schicken sollte. Musik zum Abschalten aus der Hektik des Alltags. Eine Musik, die so offenbar nur Isländer komponieren können. In der renommierten Musikerriege wie Björk und Sigur Rós hat sich Ólafur Arnalds seit einigen Jahren fest etabliert und gastiert gerne durch Deutschland, darüber hinaus aber in fast in allen Winkeln dieser Welt. Wir hatten ihn bereits zum vierten Mal auf „unserem“ Programm und bestaunten erst mal die beiden Apple-Laptops neben dem Flügel, die dezenter Weise mit einem leuchtenden Möwensymbol versehen waren.

Arnalds ist nicht nur Multiinstrumentalist, sondern auch Produzent. Er begann seine Karriere in verschiedenen isländischen Bands und arbeitet solo seit 2007. 2012 veröffentlichte er mit mit „Another Happy Day“ einen Soundtrack für einen Hollywood-Film. Doch zuvor war als Support Douglas Dare aus London angesagt, der das fast nur jugendliche Publikum mit Eigenkompositionen und wunderschöner Stimme in seinen Bann zog und sich dabei am Flügel begleitete.

Gegen 21:50 h begann dann endlich der Hauptact des Abends. In sehr gedämpftem Licht, oft nur mit einem schwachen Scheinwerfer beleuchtet, musizierte Arnalds das gut 90-minütige Programm mit seinem Kammerorchester (2 Violinen, 1 Viola, 1 Cello, 1 Electronic-Bereich). Die Bitte an seine Fans, sie mögen doch einen Ton in C summen, den er digital aufnehmen und dann als Background für die erste Komposition verwenden würde, wurde natürlich erfüllt und es klappte auf Anhieb vorzüglich. „Þú Ert Jörðin“ nennt er den Opener des Abends. Faszinierender Auftakt! Der Zuhörer wird besonders von den weichen, dunklen Klängen des Cellos umschmeichelt und Ólafur Arnalds sensibles Klavierspiel tut ein Übriges zur Wohlfühlatmosphäre. Damit man nicht zu tief in gewisse Sphären versinkt, wird man zwischendurch mit Geräusch-Samples und elektronisch erzeugten Percussion-Riffs sowie grellen Neonlicht-Stäben wieder in die Wirklichkeit zurück gebeamt. Es folgten weitere Stücke mit fast unaussprechlichen Namen wie „Ljósið“ oder „Gleypa Okkur“, aber auch mal der englische Titel „Near Light“.

Natürlich erklatschten die Zuhörer eine Zugabe, die es aber in sich hatte. Er erzählte davon, dass er das folgende Stück seiner verstorbenen Großmutter gewidmet habe. Dabei bat er seinen Techniker am Mischpult, den großen Beamer und damit das nicht zu überhörende Geräusch abzustellen, damit völlige Stille herrsche. Völlig in sich gekehrt, bei wieder sehr gedämpftem Licht, spielte er auf dem Flügel äußerst subtil und berührend eine Melodie, die die Zuhörer so faszinierte, dass man eine Stecknadel gehört hätte, wenn sie zu Boden gefallen wäre. In diese Melodie eingebettet setzten mehrmals dezent die Streicher mit sanften Einlagen hinter der Bühne ein. Gänsehauterlebnis!

Der Beifall rührte sich erst ca. 15 Sekunden nach dem Ende dieses Stückes, weil das Publikum so fasziniert und ergriffen war. Wann erlebt man das einmal? Wenn man sich auf diese Art klassische Musik, gepaart mit sparsamen Ambient-Einlagen einlässt, hallt ein solches Konzert noch sehr lange nach.

Setlist:

Þú ert sólin - Þú Ert Jörðin - Tomorrow's Song - Hands, Be Still - Only the Winds - Beth's Theme - Gleypa Okkur - We (Too) Shall Rest - This Place Was a Shelter - 3326 - Brotsjór - Words of Amber - Broadchurch Song - Undah Hulu - Poland - Near Light

Zugabe:

Lag fyrir Ömmu

Gerd Müller


 


Kammermusik-Pop im Markgrafentheater Erlangen, 27.11.2010 - Support: Nils Frahm




Die große Europa-Herbsttour von Ólafur Arnalds (nach einer Welttour, die bis nach China führte!) startete am 28.10.2010 in Deutschland (Düsseldorf) und führte über die Schweiz, Italien, Ungarn, Sowakei, Polen, Schweden, Norwegen, Niederlande, Belgien schließlich wieder nach Deutschland zurück. Am 27. November war Erlangen an der Reihe, organisiert vom rührigen Kulturzentrum E-Werk.
 
Das einmalig schöne Ambiente des überreichlich mit barocken Elementen verzierten Innenraumes im Markgrafentheater bildete eine ideale Symbiose mit der Musik Ólafur Arnalds aus Island. Man saß entspannt auf plüschrot gepolsterten Theaterstühlen und bereitete sich mental auf ein nicht alltägliches Konzert vor. Doch zunächst spuckte die Nebelmaschine permanent Rauchschwaden aus - bei sicher ausgeschalteter Sprinkleranlage (eine Abordnung Feuerwehrleute war anwesend), um so die gewünschte Stimmung zu erzeugen. Vielleicht war dies eine Anspielung auf die Vulkanaktivitäten im Frühjahr, wer weiß. Natürlich galt das gesetzliche Rauchverbot ab der 1. Zuschauerreihe.
 
Support war Nils Frahm, ein junger Pianist (Jahrgang 1982) aus Berlin. Er wurde u.a. bei Nahum Brodski, einem der großen Meister russischer Klavierkunst, ausgebildet. Leise, fast schüchtern begrüßte er bei sparsamster Bühnenbeleuchtung die Fans im gut gefüllten Parkett des Theaters. Dann "fiel" ihm ein, dass er ja noch die Lightshow einstellen müsse. Sprach's, ging zur Bühnenmitte und zündete eine dort bereits wartende Kerze an. Das war's und sowas produziert natürlich Gelächter. Nur noch ein Spot beleuchtete den Flügel, der auf der linken Bühnenseite platziert war. Ein Glück, dass wir genau dort einen Platz in der ersten Reihe ergattern konnten. So hatte man den Pianisten ideal im Blickfeld. Dann begann er seine Darbietung. Zunächst mit einem minutenlang andauernden "Dauerton" auf einer Taste, mal lauter oder leiser modulierend, um dann seine Komposition langsam um diesen Grundton herum aufzubauen. Einfach genial, weil das Zusammenspiel der sich häufenden Akkorde perfekt, fast analytisch harmonierte. "Said and done" hieß der Titel. Frahm brachte dann - meist mit geschlossenen Augen und völlig verinnerlicht - eine lange Komposition zu Gehör, die fast chopinähnlichen Charakter hatte. Mit einer weit ausholenden Verästelung der Melodiestrukturen. Mehrmals hatte ich Bedenken, ob er je wieder zur einprägsamen Eingangsmelodie zurückfinden oder sich doch im musikalischen Nirwana verlieren würde. Natürlich rundete er das Werk perfekt ab. Das war anspruchsvolle Klassik vom Feinsten. Mit filigranen Spannungsbögen, die Klassikfans einfach ansprechen mussten. Die dritte Klavierkomposition zeigte eine bewundernswerte Virtuosität, die sich in einem furiosen Ritt über die breite Tastatur aufblätterte. Während des berauschenden Spiels huschte plötzlich Ólafur Arnalds zu ihm auf die Bühne und bearbeitete die rechte Tastaturhälfte, während sich Nils auf die linken, oft abgrundtiefen Anschläge konzentrierte. Diese Art Improvisation war DER Höhepunkt beim Auftritt des begabten Pianisten. Lang anhaltender Beifall war der verdiente Lohn für dieses Musikerlebnis. Für ein kleines meditatives Nachspiel blieb dann noch Zeit bis zur Umbaupause. Noten benötigte Nils Frahm natürlich nicht ... (rechts im Bild)
 
Alles wartete nun gespannt auf Ólafur Arnalds (Jahrgang 1986) mit seiner weiblichen Streichergruppe. Wer Arnalds kennt, weiß, dass ein reiner Instrumentalabend bevorsteht. Gesang gehört grundsätzlich nicht zum Repertoire der Formation. So betraten sie nun in etwas düsterer Lichtatmosphäre die Bühne, wie es wohl den herbstlich-winterlich kurzen Tagen in Island entsprechen dürfte. Bedächtiger Klaviereinsatz, melancholische Molltöne, die die vier jungen Frauen an den Streichinstrumenten (Violine und Cello) hervorzauberten. Diese Art von sehr langsam vorgetragener (Kammer-)Musik entspricht in idealer Weise der sehnlichst herbeigewünschten Entschleunigung im Lebensrythmus vieler gestresster Zeitgenossen. Wenn man das musikalische Spektrum unbedingt einordnen möchte, so könnte man es als "Klassik-Pop-Elektro" bezeichnen. Seine Kompositionen mögen für den Ersthörer sicher etwas sperrig sein, aber bei längerem Hineinhören in seine Musik und dessen Intention spürt man bei entsprechender Konzentration, welche Faszination sich ausbreitet und fast unmerklich Suchtgefahr droht. Durch einen weiteren Musiker und „visuals artist“ kann aber Ólafur Arnalds mittels oft brutaler Geräusch-Samples und Live-Percussioneinsätzen durchaus rockig und auch mal laut sein. Alles wird unterstützt durch eine Lightshow, die dann nicht mit aggressiv-hellen, kurz aufblitzenden Lichteinsätzen geizt und eine surrealistisch-unwirkliche Endzeitstimmung hervorruft. Hintergrundprojektionen mit vorbeiziehenden Seevögeln, Sternschnuppen, Fantasiegebilden und vielleicht auch Trollen bereichern dagegen die ruhigen stimmungsvollen Darbietungen. Zwischen Flügel und Streicherensemble schlängelt sich noch eine Kette handelsüblicher Glühlampen, die von einer schwachgelben Sparflamme zu stärkeren Effekten hochgedimmt werden kann. So wird auch optisch die Verbindung zwischen den Mitwirkenden hergestellt. Immer wieder gab es lustige Zwischenansagen in etwas holprigem Englisch. Er witzelte unter anderem über eine „90er-Party“ im E-Werk, die er nach dem Auftritt besuchen wollte – die grünen Einlassbändchen waren bereits sichtbar an den Handgelenken der Musiker/innen angebracht, und er fragte, ob dies typisch Deutsch sei. So etwas würde es nämlich in Island nicht geben.
 
Leider war das Konzert nach einer Zugabe und ca. 90 Minuten zu Ende. Es hätte noch lange so weitergehen können. Lang anhaltender, verdienter Beifall ließ die Augen der Musikerinnen und Musiker leuchten. Danach gab es noch die Möglichkeit, am Merchandising-Stand Autogramme von Ólafur zu ergattern und mit ihm zu plaudern. Er ist ein bescheidener, netter Typ und man konnte es sich ummöglich entgehen lassen, gleich die neue CD + DVD (lim. Auflage) signieren zu lassen.

Wie kam ich zu Ólafur Arnalds? 2008 Jahren gastierte er gleich zweimal im Kulturzentrum E-Werk in Erlangen. Ein Open-Air-Auftritt im Hof des Zentrums war die berühmte Initialzündung. Kurze Zeit später trat er mit seinen Mädels als Vorgruppe beim vielumjubelten Konzert seines isländischen Kollegen Sigur Rós  in Wiesbaden auf.

YouTube-Video Ólafur Arnalds

Quelle: http://www.youtube.com/watch?v=6tvUPFsaj5s

Die Setlist, die sich nur isländisch Sprechenden erschließt:
 
Þú Ert Sólin - Þú Ert Jörðin - Tunglið - Loftið Verður Skyndilega Kalt - 0952 - Hægt, Kemur Ljósið - Allt Varð Hljótt - Fok - Endalaus II - Gleypa Okkur - Pulse - Brotsjór - Romance - 3055 - Ljósið - Himininn Er Að - Hrynj - En Stjörnurnar Fara Þér Vel - Erla's Waltz

Weiterführende Links:

Ólafur Arnalds (offizielle Seite)
Ólafurs MySpace
Ólafur in Wikipedia

Nils Frahm auf MySpace - mit Hörbeispielen
Durton Studio - mit Hörbeispielen
CDs auf Amazon
Tolle Hommage über Nils auf ARTE


Die neue CD von Ólafur Arnalds (2010)

 

 

 

Inhalt:

1. Þú Ert Sólin
2. Þú Ert Jörðin
3. Tunglið
4. Loftið Verður Skyndilega Kalt
5. Kjurrt
6. Gleypa Okkur
7. Hægt, Kemur ljósið
8. Undan Hulu
9. Þau Hafa Sloppið Undan Þunga Myrkursins



Gerd Müller (eingestellt 30.11.2010)


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